Interessantes u. Spannendes Life Menschen

Trotzdem schön, dass ich Titten habe

8 Mar ’11

Es wäre gut, wenn nach 100 Jahren Feminismus jetzt auch mal die andere Hälfte der Menschheit aus dem Arsch kommt und aus dem 19. ins 21. Jahrhundert springt, damit wir alle zusammen in die Zukunft tanzen können, weg von dieser ewigen Geschlechterscheiße. – kewagi

Anlässlich des internationalen Frauentages habe ich mir dieses Jahr zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht, was es für mich bedeutet “Frau zu sein”. Eigentlich sind ja viele der Dinge, die ich tagtäglich tue, für viele Frauen auf dieser Welt gar nicht möglich. Ob das gut oder schlecht ist, ist auch gar nicht das Thema dieses Beitrags und würde viel zu weit führen. Ich arbeite, ich studiere, ich bin in ein gemischtes Gymnasium gegangen, ich schaffe es alleine ein Kind zu ernähren und habe auch noch nebenbei Zeit mich mit Menschen zu treffen. Und mit Männern. Ich kann auf der Straße herumgehen, bauchfrei oder eingewickelt, in Stöckelschuhen, mit oder ohne Haube und es interessiert auch niemanden, dass ich in den Öffis neben Männern sitze oder mit dem Auto fahre. Alleine. Ohne männliche Begleitung. Ich gehe wählen, beteilige mich an politischen Diskussionen und werde sogar von Männern ernst genommen, wenn es um Technik geht! Wow.

Unser einziges Ziel sollte lebenslange, ökonomische Unabhängigkeit sein. Unabhängig vom Staat, unabhängig von Männern. Die gesetzlichen Grundlagen werden immer besser, jetzt liegt es an uns, das ganze auch umzusetzen. Dabei sind wir übrigens selbst unser größter Feind. – @linzerschnitte

But it’s fucking 2011!

So weit, so gut also. Vielleicht sollte ich aber auch noch erwähnen, dass meine liebe Frau Mutter mich so erzogen hat, dass ich niemals den Unterschied wirklich gesehen habe. Im positiven Sinne. Bei uns gab es keine Diskussionen darüber, wer welchen Beruf wählt oder dass man als Frau dieses oder jenes ja nicht “machen sollte” (zum Beispiel hab ich vor kurzem gehört: “Es ist unweiblich, wenn man mit einer Zigarette herumgeht oder aus einer Dose Bier trinkt.”). Und eigentlich bin ich ganz glücklich darüber, dass ich ohne diese “Vorurteile” aufgewachsen bin, andererseits jedoch hat dies dazu geführt, dass ich fast 25 Jahre mit dem Glauben gelebt habe, dass ich gleichberechtigt bin. Gleich berechtigt. Ich bin keine Feministin in dem Sinn, vermutlich auch deshalb, weil dieser Begriff in den letzten Jahren einen ziemlichen Imagewandel erlebt hat. Hört man das Wort “Feminismus”, so denkt man vorwiegend an hässliche, brillentragende Frauen mit Keuschheitsgürteln und audimaxbesetztende quotenschreiende Frauen, die jedem das Wort “Sexist!” auf die Stirn tätowieren wollen würden, der nicht gegen Männer ist. Leider. Denn solche Frauen gibt es auch. Und die sind auch Schuld daran, dass der Begriff des Feminismus ein negativer geworden ist. Denn heute denkt keiner mehr an die Frauenbewegung, die uns Frauen wirklich viel ermöglicht hat.

Ich weiß, wie es ist eine Frau zu sein, denn ich bin im Internet. – OPRYDE

18 Prozent.

Durchschnittlich verdienen Frauen in Österreich 18% weniger als unsere behodeten Artgenossen. Warum das so ist, weiß man nicht erst seit heute: Frauen werden nicht nur von klein auf in Rollenbilder gesteckt (darum suchen ja auch 50% der weiblichen Lehrlinge aus drei Berufen aus), sondern hier hat eindeutig die Politik versagt. Zwar gibt es jetzt ein Gesetz, das die Gehälter offenlegen soll, damit Frauen sich besser gegen diese Ungerechtigkeit wehren können, jedoch bezweifle ich, dass das auf lange Sicht zum Erfolg führen wird. Andererseits sollte man aber auch Männer in die Pflicht nehmen, ihre Rolle als Väter stärker zu leben. Anreize schaffen, damit auch Väter in Karenz gehen können. Denn oft scheitert es ja daran, dass die Männer mehr verdienen. Logisch, dass die Frau dann zuhause bleibt. Und am schlimmsten ist es, wenn man sich als Frau zwischen Karriere ODER Familie entscheiden muss. Oft hat man nämlich keine andere Wahl. Die Kinderbetreuung ist aus meiner eigenen Erfahrung in diesem Land eine Katastrophe. Zu wenige Plätze, zu schlechte und zu wenige Pädagogen.

“Bankerin, Bikerin, Ballerina” in einem, wie die Designerin Diane von Fürstenberg meinte. Für mich gut zusammengefasst was von Frauen allzu oft erwartet wird. – Teresa

Zwangsverheiratung, Ehrenmord, Genitalverstümmelung

“Aber uns in Österreich geht’s doch eh noch gut, wenn man sich die da drüben in Saudi-Arabien anschaut”. Typisch österreichische Einstellung. “Da könn ma ja eh nix dran ändern, is halt so.” Warum sollte man sich immer zufrieden geben mit dem, was man hat, bzw. sich mit anderen vergleichen, um dann in Relation besser dazustehen? Menschenhandel und Zwangsprostitution sind auch hierzulande ein Problem. Genauso wie gewalttätige Ehemänner, von denen Frauen sich nicht losreißen können, weil sie sonst in ihrer Existenz bedroht werden. Frauen unabhängig machen. Das ist die oberste Devise. Und das geht nur mit Bildung, Aufklärung und Chancengleichheit. Aus unternehmerischer und wirtschaftlicher Sicht ist es für ein Unternehmen bestimmt angenehmer einen Mann einzustellen. Denn die Frau könnte ja unter Umständen schwanger werden und dann hat man eine “verlorene” Arbeitskraft. Und später kann die Frau ja auch nur halbtags arbeiten, weil irgendwer muss ja die Kinder aus dem Kindergarten abholen. Wieso sollte das der Mann machen, der verdient ja so gut? Und zuhause geht das ganze Spielchen nämlich weiter. Den Hauptteil der Arbeit zuhause verrichten nach wie vor immer noch die Frauen.

Den Erfolg der Frauenbewegung sieht man am besten im Fernsehen: überall nur schöne, brave Frauen. – @cypher

Die Rückkehr zur Weiblichkeit ist ein kultureller Rückwärtsgang

Dieser Satz stammt von Susan Faludi, die ihres Zeichens Anti-Anti-Feministin ist. 1991 hat die gute Dame ein Buch geschrieben mit dem Titel “Backlash. Die Männer schlagen zurück”, in dem sie behauptet, dass Männer bzw. Anti-Feministen die gesamte Frauenbewegung zunichte machen, vor allem jene, die – wie im obigen Satz formuliert – überhaupt auch nur in Erwägung ziehen, dass Frauen auch nur irgendwas mit Weiblichkeit zu tun haben könnten. Wie können sie es wagen?

Im Ernst: was ist schlimm daran, wenn ich als Frau “weiblich” bin? Sind hohe Schuhe, Make-Up und ein kurzes Kleid ein Zeichen dafür, dass ich meine gesamten Rechte als Frau freiwillig abgebe? Nein, sage ich. Denn das hat absolut nichts damit zu tun. Und ich find es auch nicht sexistisch, wenn Frauen auf Unterwäschewerbeplakaten halb nackt sind. Und ja, ich finde es dann besser, wenn die Frau schöne Brüste hat und eine entsprechende Figur und wallende Haare und nicht meine Nachbarin darauf zu sehen ist (nichts gegen Dich, Jeannine!). Wenn Frauen auf Bierwerbeplakaten halbnackt posieren, habe ich auch meine Bedenken, aber deshalb geh ich auch nicht auf die Barrikaden und werfe jedem vorbeikommenden Mann ein “Fuck You!” entgegen. Blöde Marketing-Menschen gibt es halt überall auf der Welt.

Dinge wie der Frauentag oder eine verpflichtende Frauenquote halte ich nicht für sinnvoll, weil sie die Frauen damit erst recht in eine Sonderstellung rücken, die ja eigentlich aufgehoben werden soll. Gleichberechtigung erschafft man nicht, indem man Frauen als “Entschädigung” unnötige Vorteile verschafft sondern nur, indem man gleiche Bedingungen schafft. – foxy

Give it to me, baby

Und trotz all des Kampfes, den wir Frauen tagtäglich führen und der uns eigentlich manchmal gar nicht bewusst ist, ist es manchmal doch schön, sich in männliche starke Arme zu legen und ein bisschen schwach sein zu dürfen. Und ja, ich rede auch von Sex. Welche Frau unterwirft sich nicht gerne mal und lässt den Mann einfach mal machen, weil auch das ganz nett sein kann? Ja, die “Feministen” unter euch schreien jetzt sicher und denken sich: “OMG, diese Frau ist doch nicht ganz dicht! Wie kann man überhaupt gleichberechtigt sein, wenn das schon bei so Dingen wie Werbeplakaten, Sex und dem Binnen-I beginnt?” Natürlich kann man. Denn für mich gehört zur Emanzipation auch sich einzugestehen, dass man gewisse Dinge eben einfach NICHT kann. Deshalb halte ich im Übrigen auch nichts davon Frauenquoten einzuführen. Das wird das Interesse von Frauen an beispielsweise Technik auch nicht fördern oder gar steigern. Und zur Emanzipation gehört für mich, sich selbst seines Geschlechts bewusst zu werden und zu wissen, was man ist und wie man sich persönlich definiert. Und ja, ich bin gerne Frau. Ich bin sogar sehr gerne Frau. Aber in erster Linie bin ich Mensch. So wie ihr alle.

“frau sein 2011: ich hab mehr geld und mehr (multiple) orgasmen als du. und wenn ich blute, tut’s nicht weh. – @neelaa

Die Zitate zwischen den Absätzen stammen von meinen sehr geschätzten Blogger- und Twitter-Kollegen. Danke.

0

10 Comments

  • Reply kewagi 8 Mar ’11 at 09:41

    Holla die Waldfee, gleich an erster Stelle! Sehr guter Artikel, Frau Kollegin, weitermachen! :)

  • Reply ahabicher 8 Mar ’11 at 09:57

    Also, ich mochte die Plakate. *duck* (Und dabei trink ich gar kein Bier)

  • Reply linzerschnitte 8 Mar ’11 at 10:09

    vielleicht etwas unpassend, aber ich muss die ganze Zeit auf das Tittenfoto starren…

  • Reply Fanfarella 8 Mar ’11 at 10:12

    steh jubelnd und applaudierend unterhalb des textes, siehst du mich? spitzen post zu dem thema! du hast wirklich all die punkte angesprochen, die mir auch auch wichtig sind, vor allem dass ich gerne frau sein möchte und trotzdem meinem mann stehen möchte.

  • Reply foxy 8 Mar ’11 at 11:03

    Hast dir tolle Gedanken gemacht. Den Begriff der “behodeten Artgenossen” muss ich mir allerdings merken. Nice one, Ivy.

  • Reply Mathias 8 Mar ’11 at 11:13

    Vielen Dank für diesen tollen Blogpost! Habe ihn gerne gelesen!

  • Reply Tscheydi 8 Mar ’11 at 11:26

    Riesiger Artikel. Ein erstes Thema sehr, sehr gut behandelt. War toll den Artikel zu lesen!

  • Reply Miss Viki 8 Mar ’11 at 16:36

    Danke für den inspirierenden Beitrag, toll!

  • Reply Stefan Mey 10 Mar ’11 at 14:17

    Jetzt schließe ich mal einfach meinen Vorrednerinnen und Vorrednern (man sieht: Es geht auch ohne Binnen-I) an: Super Posting! Und: Haha, “behodete Artgenossen” ist echt ein Spitzen-Ausdruck…

  • Reply ela 26 Mar ’11 at 14:50

    “Und zur Emanzipation gehört für mich, sich selbst seines Geschlechts bewusst zu werden und zu wissen, was man ist und wie man sich persönlich definiert.”

    Demnach ist es, wie Du geschrieben hast, höchste Zeit für uns Hodenträger, uns zu emanzipieren.
    Ich bin mir meiner Geschlechtsrolle/Genderidentität überhaupt nicht bewusst, und da bin ich nicht der Einzige. Wir haben keine Ahnung. Folge: einen Großteil der heutigen Männer in unserem Kulturkreis kann man in peinliche Machos und peinliche Luschen aufteilen.
    Könnte mir vorstellen dass es Frauen in der Hinsicht z.Zt. leichter haben.

  • Leave a Reply