31 Tage - 31 Bücher Bücher Projekte

Tag 2 – Das Buch, das du als nächstes lesen willst

2 Jul ’10

Jim Butcher: Grave Peril (Book Three of the Dresden Files),
ROC Books, 2001 (ISBN: 978-0-451-45884-5)

Ich soll einen Beitrag schreiben über ein Buch, das ich noch nicht gelesen habe? Also eine Rezension über etwas, das ich nicht kenne? Das stellt eine gewisse Herausforderung dar, aber ohne diese wäre das Leben ja auch langweilig.

Umschiffen wir also das Problem, dass das Buch ungeöffnet vor mir auf dem Tisch liegt. Sein Cover verrät auch nicht viel: leicht verwaschenes Bild, in Sepiafarben gehalten, auf dem die Konturen eines Mannes zu sehen sind: mit breitkrempigem Hut, Ledermantel und einem mannshohen Stab sieht sein detailloses, im Dunklen verborgenes Gesicht dem Betrachter entgegen. Sagt nicht viel aus – außer: man gehört zu denen, die bereits andere Harry Dresden-Romane gelesen haben. Denn diese wissen: auf dem Bild ist unser Held zu sehen.

Auf Jim Butcher und seine Harry Dresden-Reihe bin ich eher zufällig gestoßen: Im Fantasyladen meines Vertrauens (dafür ist man nie zu alt) suchte ich nach leichter Unterhaltung. Ein Vampirroman sollte es werden, aber ein richtiger. Kein Twilight-Teenie-Kitsch – die Handlung sollte zwar auf der Erde spielen, in eher moderner Zeit. Der Verkäufer griff ins Regal und zog ein Buch mit dem Titel „Bluthunger“ heraus. Er umriss kurz das Setting und ich entschied mich, das Buch zu kaufen. Zwei Tage später stand ich wieder im Geschäft und es war klar: ich hatte auf die „Droge“ angebissen, denn ich kaufte weitere Bücher der Reihe. Ich wurde süchtig nach Jim Butchers Welt.

Der Held der Romanreihe – deren Handlung nur sehr lose zusammenhängt, sodass die Romane nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge gelesen werden müssen und auch einzeln genossen werden können – heißt Harry Blackstone Copperfield Dresden, lebt in Chicago der Jahrtausendwende und arbeitet als Privatermittler der Polizei zu. Soweit noch nichts Außergewöhnliches, könnte man meinen. Wenn man allerdings Harrys Inserate in den „Gelben Seiten“ sieht, ahnt man schon, dass es sich um keinen alltäglichen Privatschnüffler handelt:

HARRY DRESDEN – MAGIER
Suche verlorene Gegenstände
Paranormale Ermittlungen
Beratung und Ratschläge. Erschwingliche Honorare.
Keine Liebestränke, keine unerschöpflichen Geldbörsen, keine Partys, keine sonstigen Unterhaltungsveranstaltungen.

Zunächst einmal: Ja, Harry ist wirklich ein Magier. Er weiß um paranormale Phänomene, kennt die besten Methoden, um Vampire und Werwölfe zu bekämpfen, kann Zaubersprüche wirken und Zaubertränke brauen. Der Nachteil? Abgesehen von seiner stetig leeren Geldbörse und einer Art Ethikkommission für Magier die ihn dauernd verfolgt, ist das Leben eines praktizierenden Magiers wohl einsam. So haust Harry in einer Souterrainwohnung, möglichst ohne Technik eingerichtet (denn diese würde aufgrund seiner Aura bald ihren Geist aushauchen, wie es in den Romanen hin und wieder auch passiert). Er teilt die Wohnung lediglich mit Bob, einem körperlosen Gespenst, der zumeist einen leeren Schädelknochen in Harrys Laboratorium in Beschlag nimmt, oder aber in den Körper von Harrys Kater namens Mister schlüpft und so durch Chicagos Gassen schlendert. Bob scheint ein netter Kerl zu sein und weiss auch unheimlich viel, doch leider ist er völlig oversexed – und das verursacht auch mal Probleme auf Studentenfeten, wenn er dort auf- und in die Körper von Anwesenden eintaucht.

Doch zurück zu Harry Dresden. Seine Gabe dürfte er von seiner mittlerweile verstorbenen Mutter geerbt haben und ist, soweit man es beurteilen kann, kein schlechter Magier. Zumindest überlebt er inmitten der ständigen Kleinkriege von rivalisierenden Vampirclans, hyperintelligenten Werwölfen und finsteren Schwarzmagiern. Als Leser wird man sofort mit seinen innersten Gedanken konfrontiert, betrachtet man doch die Welt durch Harrys Augen, werden die Geschichten aus seiner Perspektive erzählt. Sein staubtrockener Humor, sein Zynismus und sein Zweckpessimismus („Manchmal denke ich, dass mich irgendjemand da oben richtig hassen muss“) sind seine stetigen Begleiter. Er scheint sich mit seinen Gaben abgefunden zu haben und versucht diese bestmöglich zu nutzen – und „bestmöglich“ heißt eben nicht immer „zum besten anderer“.

Harry arbeitet neben seinen Fällen als „Privatmagier“ auch als externer Mitarbeiter der Chicagoer Polizei, Abteilung Paranormale Aktivitäten. Die Leiterin der Abteilung, Lieutenant Murphy, und Harry entwickeln im Laufe der Geschichten eine gewisse Zuneigung zueinander, die aber mehr respektvolle Freundschaft denn heiße Liebe ist – zudem wird Murphys Vertrauen immer wieder auf die Probe gestellt, muss sich Harry doch immer wieder zwischen Zwecklüge oder aber Matchverlust gegen das Böse entscheiden. Murphy scheint aber nicht nachtragend zu sein, zumal Harry mit seinen speziellen Kenntnissen auch dort weiterkommt, wo die herkömmliche Polizeiarbeit scheitern muss. Und paranormale Wesen scheinen den Hang zum Kriminellen zu haben. Egal, ob Vampire oder Werwölfe: sie scheinen sich mit der organisierten Kriminalität – und die hat in Chicago gewissermaßen Tradition – bestens arrangiert zu haben. „Diesseitige“ und „jenseitige“ Verbrecher Hand in Hand quasi – und Harry ist der einzige, der in dieser mörderischen Welt eine Überlebenschance hat, wenn er während seinen Ermittlungen arkanen Angriffen ausgesetzt ist. Zwar gerät er in immer haarsträubendere Situationen, aber er schafft es immer irgendwie, mit dem Leben davon zu kommen.

Freilich locken solche Ermittlungen auch die allzeit neugierieg Klatschpresse an. Und wie geht ein zynischer Macho-Magier wie Harry mit solchen Problemen um? Er geht mit der Reporterin ins Bett – und verliebt sich sogar ein wenig in sie. Doch „Liebesgeschichten“ bilden nicht die wesentlichen Teile der Geschichten – auch wenn öfter mal ein Hauch von Erotik in der Luft liegt (Harry ist schließlich ein Mann, Single und ein wenig machohaft – und alles andere als desinteressiert an schönen Frauen). Doch man kann Verständnis dafür zeigen, dass unser Held immer noch allein lebt: wie eine Beziehung genießen, wenn sich auch die schönste Frau in einen Blutsauger verwandelt? Und dies nicht im „herkömmlichen“ Sinne des Wortes gemeint, also nicht die Frau in schlechten, vor Klischees triefenden Romanen, deren Blutdurst sich ausschließlich auf die Kreditkarte ihres Mannes erstreckt. Nein, Harry wollen diese Frauen (femmes fatales im wörtlichsten Sinn!) wirklich an die Gurgel, wollen ihn töten, sein Blut aussaugen, Werwölfe ihn in Stücke reißen und fressen, Schwarzmagier ihn verfluchen und seine Kraft aussaugen. Da ist das Leben kompliziert genug.

So wie diese Rezension. Über ein Buch, das ich noch gar nicht gelesen habe. Aber wenn es nur halb so gut wird wie die letzten drei, die ich allesamt verschlungen habe, wird es ein nettes Lesevergnügen. Das wird mein viertes Harry Dresden-Buch. Und ich glaube, ich fange jetzt gleich mal damit an!

Grave Peril – Jim Butcher auf amazon.de


0

4 Comments

  • Reply ahabicher 2 Jul ’10 at 13:18

    *blockauspack* *notier*

  • Reply Tweets that mention Tag 2 – Das Buch, das du als nächstes lesen willst | ivy machts net -- Topsy.com 2 Jul ’10 at 13:29

    […] This post was mentioned on Twitter by Iwona W., Bernhard Madlener. Bernhard Madlener said: Heute präsentiert @iwona_w Tag 2 der Blogger-Aktion "31 Tage – 31 Bücher": Ein Hoch auf Magier & Vampire: http://arm.in/hp2 #literatur #3131 […]

  • Reply Scarygami 2 Jul ’10 at 15:56

    Klingt auf jeden Fall nach einer Buchreihe, die mir sehr gefallen würde. Danke für den Tip :-)

  • Reply guerillero 2 Jul ’10 at 20:11

    Der Verfasser lebt und arbeitet in Wien, hat beruflich mit Web 2.0 so gar nichts zu tun und genießt das Surfen auf den Wellen des Internet privat umso mehr. Musste nur gesagt werden – wenn ich es beim Beitragschreiben schon vergessen habe… ;)

  • Leave a Reply to Scarygami Cancel Reply