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Tag 29 – Warum zur Hölle wurde dieses Buch verfilmt???

29 Jul ’10

Leider habe ich, als ich mir „Tag 29 – Warum zur Hölle wurde dieses Buch verfilmt???“ als Thema für meine Rezension aussuchte nicht bedacht dass ich, wenn ich einen nur halbwegs kompetent recherchierten, annähernd objektiven Artikel verfassen wollte, nochmal in die Untiefen eines meiner Lieblingsbücher und gleichzeitig auch in einen der, ganz subjektiv betrachtet schlechtesten Filme aller Zeiten eintauchen müsste.
-Aber was solls. Nun ist es zu spät. Ich schreibe folgende Rezension, nachdem ich das Werk „Populärmusik aus Vittula“ von Mikael Niemi nochmals voller Anspannung verschlungen habe und der gleichnamige Film sich zum wiederholten Male mit einem auftauchenden Gefühl der Enttäuschung tief in meine Retina gebrannt hat.

Aber warum eigentlich empfinde ich den 100 min. langen Film immer wieder als Beleidigung für das menschliche Auge? Vielleicht weil ich schon von vornherein kein bekennender Cineast bin? Habe ich möglicherweise einfach ein Problem mit den Konstrukten der Fantasie anderer Geister? Pauschal kann man das nicht so sagen. Aber ja, ich gebe zu, dass ich der Meinung bin, dass es in Wirklichkeit fast ein Ding der Unmöglichkeit ist, einer guten Romanvorlage mit einer Verfilmung uneingeschränkt gerecht zu werden. Doch es gibt Regisseure die den Spagat zwischen erbärmlicher Kopie des Originalmanuskriptes und künstlerischer Freiheit schaffen. Meiner Meinung nach war dieser Versuch bei „Populärmusik aus Vittula“ von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Zum Inhalt:
Pajala. Ein kleiner Ort irgendwo im Nirgendwo zwischen Schweden und Finnland.
Matti erzählt uns die Geschichte seiner Kindheit und Jugend im Vittulajänkkä, dem Fotzenmoor, einer auf den ersten Blick unwirtlich wirkenden Gegend in der es nie wirklich Sommer wird. Er beschreibt Episoden aus seinem Leben, Kurzgeschichten die von längst vergessenen Religionen, längst überfälligen ersten Malen und längst zerstörten Menschenleben handeln. Er stellt uns Freund und Feind vor und nicht zu vergessen seine größte Liebe, die Musik.

Niemis plastische Art zu schreiben, seine fantasievollen Vergleiche und unvergleichlichen Metaphern sind schlichtweg beeindruckend, entführen den Leser in eine Welt voller Harschschnee und rußschwarzen Saunen.
Dieses Buch ist eine Fundgrube an Absurditäten wie böse endenden Maischesaufgelagen in einer Kläranlage, beseeltem Froschlaich aus dem Abflussrohr, einem Musiklehrer mit nur 6 Fingern und noch vielem mehr.

Nun zum Film selbst:
Zugegeben, bei so einer Vorlage ist es nicht einfach eine Entscheidung zu treffen auf welche Szenen des Buches man verzichten kann um nicht den Rahmen des Films zu sprengen. Und man muss zugeben, dass wenigstens die Schauspieler großteils passend besetzt wurden und auch die ganze Umgebung von Pajala, die Schauplätze des Films im Allgemeinen dem Buch in nichts nachstehen.
Aber leider ist das Erzähltempo des Films einfach zu rasant. Es wird eine große zusammenhängende Geschichte dargestellt die so gar keine Nähe entstehen lassen will, die Charaktere werden nicht ausreichend beschrieben, Hintergründe die im Buch erläutert werden kommen leider zu kurz.

Es gibt eine Schlüsselszene die für mich prädestiniert ist um im direkten Vergleich die Kluft zwischen Buch und Film zu zeigen.
In folgender Szene verschwimmen Realität und Fantasie, die Grenzen von Raum und Zeit scheinen überwunden:
Buch: Matti flüchtet sich vor dem aggressiven Hausmeister in den Vorratsschuppen der Nähschule und klettert in einen alten Heizkessel. Als sich Matti in Sicherheit wiegt und den Kessel wieder verlassen möchte bemerkt er, dass sich die Klappe nicht mehr öffnen lässt, er eingesperrt ist. Ausharrend beschreibt er die Gerüche im Kessel, erzählt wie er wächst, sich am Leben hält indem er das Kondenswasser von der Kesselwand leckt und immer älter wird bis er durch seine Größe schließlich sein rostrotes Gefängnis sprengen und in die Freiheit flüchten kann. -Ich als Leser fühlte mich selbst eingesperrt, schmeckte den Geschmack des eisenhaltigen Wassers auf meinen Lippen. Doch ich merkte auch, dass dies eine epische Metapher für die Qualen des Erwachsenwerdens sein muss.

Im Film trägt sich die Szene so ähnlich zu, nur dass hierbei Niila (Mattis bester Freund) der Protagonist unserer Geschichte ist. Dies entspricht einerseits leider absolut nicht Niilas Charakter im Buch, denn wenn man Niila kennt, dann weiß man dass er niemals so reagieren würde. Andererseits nimmt der Regisseur dies alles viel zu wörtlich, er erkennt anscheinend nicht an, dass dies eine Metapher sein soll oder setzt dies einfach nicht glaubwürdig um -Sehr schade, dies hätte man eindeutig besser lösen müssen um den Zauber der Szene zu erhalten.

Leider kamen mir im Laufe des Films immer wieder solch enttäuschenden Szenen unter die mich als Kenner des Buches einfach nicht befriedigen konnten.

Schlussendlich bleibt nur zu sagen, dass „Populärmusik aus Vittula“ von der Fantasie des Lesers lebt, es ist mitreissend, spannend und todlustig zugleich.
Der Film kann dem einfach nicht gerecht werden. Er wirkt abstoßend und unnahbar.

Doch dafür wurde mir wieder klar welche Gefühle das Buch in mir auszulösen vermochte, ich sah das ewige Eis brechen, spürte die Hitze eines Waldbrandes, verglühte innerlich in Gedanken an Rock´n Roll Music, sog den Schweißgeruch ältlicher Turnerinnen auf und nippte nicht zuletzt an den Freuden die ein einfacher Kuss bereiten kann.

So war es letztlich doch noch ein Glücksfall, dass ich mir Tag 29 ausgesucht habe, denn dadurch kam zu dem Schluss dass es manchmal sogar recht erstrebenswert sein kann „knapsu“ zu sein.

-Gut nur dass ich es doch noch schaffe einen absolut objektiven letzten Satz zu verfassen: „Lest das Buch, schaut den Film und bildet euch eine ganz eigene, subjektive Meinung.“


Benedikt wohnt in Wien, lebt in Oberwölbling und sucht erfolglos aber stetig nach seinem Sinn des Lebens.

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2 Comments

  • Reply Pixi 29 Jul ’10 at 14:56

    Hab das Buch schon sehr oft in den Händen gehalten, es aber dann doch nie gekauft – einfach weil ich ungern Geld für Bücher ausgebe, bei denen ich mir nicht so sicher bin, ob ich sie wirklich lesen werden. Aber nach dieser Rezension hab ich wirklich Lust auf das Buch bekommen, und werd es bestimmt bald lesen.

    Dass es eine Verfilmung dazu gibt wusste ich gar nicht – aber von Literaturverfilmungen halte ich selbst auch nicht sehr viel.

  • Reply 31 Tage – 31 Bücher | ivy machts net 28 Oct ’10 at 14:35

    […] Tag 29 – Warum zur Hölle wurde dieses Buch verfilmt??? – Benni Tag 30 – Das Buch, das du zurzeit liest – @andraseits Tag 31 – Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst – Ungeschrien AKPC_IDS += "411,";Popularity: 93% [?]Bookmark on DeliciousDigg this postRecommend on Facebookshare via RedditShare with StumblersTweet about itSubscribe to the comments on this postTell a friend Tags: Buch, Projekt, Rezension […]

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